Geld allein macht nicht unglücklich (Peter Falk)

Der clevere Lebenskünstler


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Armut im Alter: Warum Oma sich unnötig schämt

Hunderttausende alte Menschen in Deutschland verzichten auf Sozialleistungen - weil sie sich schämen oder ihre Rechte nicht kennen. Verdeckte Armut ist unter Menschen mit niedriger Rente erschreckend weit verbreitet. Von den Männern und Frauen über 65 Jahren, denen Grundsicherung zusteht, beziehen weniger als die Hälfte tatsächlich Leistungen - offenbar nach dem Motto: lieber eisern sparen, trocken Brot runterwürgen, aber bloß nicht zum Sozialamt gehen. So bezogen von gut einer Million berechtigter Menschen ab 65 im Jahr 2012 nur 465.000 tatsächlich Leistungen aus der Grundsicherung.

Auch eine zusätzliche Versorgung über die örtlichen Tafeln sollte zur Regel werden. Zyniker sagen gerne herablassend: "Armut schändet nicht:" Na denn, fröhliches Zulangen! In diesem Land darf es keine versteckte Armut geben sondern stets eine offene Armut, damit die Berliner Dampfplauderer und Possenreißer immer vor Augen haben, welches Elend sie bereits angerichtet haben. Für Typen wie Thomas Middelhoff, Carsten Maschmeyer oder diverse Hamburger Kirchenbankpolierer sind Arme nur lästiges Gschwerl, daß man unter die Füße tritt. Nur aufpassen muß man, um nicht auszurutschen. Denn gerade für diese Leute gilt der schöne Ausspruch: "Heute noch auf hohen Zinnen, schon morgen in der Scheiße drinnen." 

So schaden und bestrafen Menschen, die sich selbst in Armut erniedrigen, nicht nur sich selbst, schlimmer noch, sie schädigen auch andere Menschen, die jetzt oder in Zukunft Rente beziehen, weil sie den Staat im Unklaren darüber lassen, wie arg es bereits hierzulande aussieht. Denn Politiker nehmen nur dann etwas zur Kenntnis, wenn sich ein Problem nicht mehr ignorieren läßt und sich keine Ausrede mehr findet oder man das Volk (das dumme Stimmvieh) mit populistischn Argumenten auf anderes ablenken kann - siehe Griechenland. Boshaft ausgedrückt: Erst wenn die Kacke schon am Dampfen ist und zum Himmel stinkt, können sich selbst Neoliberale nicht mehr um das Problem herumdrücken.

Sehen wir uns die Leistungen aus Grundsicherung einmal genauer an: Der Bezieher erhält monarlich 399 Euro  zum Leben, wobei Strom und Telefon eingeschlossen sind. Die Berechnung geht so: Ausgaben - Kosten der Miete plus Heizung und Nebenkosten. Dazu die Krankenversicherung der GKV, sofern eine freiwillige Versicherung vorliegt, dazu Privathaftpflicht-, Hausrat- und Unfallversicherung sowie der Betrag zum Sozialverband VdK, bei dem eigentlich jeder Ältere Mitglied sein sollte, da er eine unersetzliche Hilfe bei sozialen Problemen im Alter darstellt. Zu den eigenen Einnahmen zählen die Altersrente sowie evtl. andere Einnahmen. Die Differenz bis zu 391 Euro monatlich wird vom Grundsicherungsamt gezahlt.

Dazu kommt noch die Befreiung von der GEZ, einen Betrag, über den Alte besonders klagen. Die Zuzahlungen zu Praxisgebühr und Medikamenten betragen jährlich 2 Prozent des Einkommens, das mit 391 Euro festgelegt ist. Ist ein Patient in einem DM-Programm (Disease Management Program für Diabetes, Koronarerkrankung u.ä.), beträgt die Zuzahlungsgrenze nur 1 Prozent, das ist ab Januar 2014: 46,92 Euro. Und wenn sich der arme Opa oder die Oma wöchentlich von der örtlichen Tafel mitversorgen läßt, dann langt es sogar noch zur täglichen Bildzeitung.

Aus diesem Grund empfehle ich auch jedem, der betroffen ist, es werden kann oder Betroffene kennt, sich die Broschüre "Leitfaden Alg II / Sozialhilfe von A - Z" für 11 Euro von www.tacheles-sozialhilfe.de zu bestellen. Es ist eines der wichtigsten Bücher, die es hierzulande gibt, denn darin ist alles zu finden, was in Notfällen Hilfe bringt. 

Wer das Ganze mal für sich durchrechnet, wird sehen, daß sich der Betrag so ziemlich mit Röschens Zuschußrente (das zweite "u" sollte durch ein "i" ersetzt werden) deckt. Kommen wir zu einem weiteren Punkt, der privaten Vorsorge, den die Bundesuschi (als sie noch Familien- und Arbeitsministerin war) und einige Jungabgeordnete bei ihrer Rentenberechnung voraussetzten. Nur diese neoliberalen Dummheiten verkennen schlicht und einfach die Bundeswirklichkeit. Die sieht nämlich so aus: Billiglöhner bleiben Billiglöhner, Billiglöhner kaufen nur Billigwaren. Billigwaren lassen sich nur in Billigländern herstellen. Das bewirkt den weiteren Verlust von Arbeitsplätzen im Inland und sorgt somit für neue Billiglöhner in Billigsjobs. Doch billlig, billig verhindert Innovationen, und weil die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, werden die Probleme immer größer. 

Der Grund dazu: Politiker sind gewohnt linear zu denken. Das "vernetzte Denken", das Frederic Vester lehrte und propagierte - längst vergessen. Mutti wird's schon richten. Doch die hat keine Zeit - Welt retten, vorrangig Euroland. 

Daß eine private Vorsorge von Beziehern niedriger Einkommen nicht funktionieren kann, liegt vor allem jedoch an der "finanziellen Repression", die derzeit stattfindet. Dieser Begriff wird von Finanzexperten benutzt und bedeutet eine staatliche Schuldenreduktion durch gewollte schleichende Inflation, dazu kommen die Niedrigzinsen, nachdem die EZB die Kapitalmärkte mit Geld geflutet hat. So schrieb die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am 28. September 2012 über die finanzielle Repression in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg folgendes: ". . . die durch eine strikte Finanzpolitik und bis zum Koreakrieg durch zwei Inflationsschübe gekennzeichnet war. Die Regierung legte Banken-Obergrenzen für Zinsen auf und kontrollierte das Kreditwachstum. Die Federal Reserve mußte in den ersten Nachkriegsjahren durch Käufe von Staatsanleihen zugleich dafür sorgen, daß die Zinsen niedrig blieben. Das Resultat war, daß Amerika seine Staatsschuld bis 1951 von 121 auf 75 Prozent das BIP reduzierte, wobei die strikte Fiskalpolitik und die Inflationierung dazu in gleichen Teilen beitrugen."

Kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor? Was das für den Einzelnen bedeutet, hat die Finanzexpertin Barbara Sternberger-Frey einmal in der Zeitschrift "Ökotest" berechnet: "Wer 10.000 Euro zu den Minizinsen von derzeit 0,6 Prozent in Zinspapiere investiert . . . hat nach 10 Jahren bei 2 Prozent EU-Inflationsrate zwar 10.616.46 Euro auf dem Konto stehen. Doch die Kaufkraft dieser Summe ist längst auf 8.709.19 Euro zusammengeschmolzen. Das ist ein realer Verlust von 18 Prozent. Falls sich die Inflationsrate bis 2022 auf 4 Prozent verdoppelt, schmilzt die Kaufkraft des Kapitals gar auf 7.172 Euro zusammen, was einem Realverlust von 33 Prozent entspricht. Noch schlimmer sieht die Rechnung aus, wenn die Minizinsen über 20 Jahre anhalten. Dann stehen 2032 zwar nominal 11.270.93 Euro auf dem Konto. Die sind aber nach 4 Prozent Inflation real aber nur noch 5.143.91 Euro wert. Das ist ein Verlust von 54 Prozent."

Mit anderen Worten: Wer zu den jetzigen Zinssätzen versucht, privat vorzusorgen, verschafft zwar Versicherungen ein gutes zusätzliches Geschäft, könnte aber gleichzeitig zu Monatsbeginn das Fenster öffnen und den Sparbetrag an die Umgebung verteilen oder die Vögel damit füttern. Vor allem aber wird seine Rente in 20 oder 30 Jahren an Ärmlichkeit nicht mehr zu überbieten sein - egal um welches Sümmchen monatlich es sich dann handelt. Was also tun, fragt sich nicht nur Zeus?

Geldexperten wie Frau Sternberger-Frey empfehlen daher den Kauf von Aktien, Fonds oder Goldmünzen, die gültiges Zahlungsmittel sind, wenn auch niemand damit zahlen würde, wie Krügerrand, Maple Leaf und ähnliche. Nur - und das ist ganz wichtig - Sie sollten sich niemals auf irgendwelche heißen Tips, z.B. im Internet, einlassen, sondern Sie müssen sich schon selber eingehend mit der Materie befassen, etwa indem Sie Zeitschriften wie Finanztest, WirtschaftsWoche oder Euro lesen. Befassen Sie sich dabei mit einem Spezialgebiet, etwa Öko-Aktien oder Ökofonds, die Sie direkt kaufen z.B. über Postbank oder Comdirekt. Und woher nehmen Sie das Geld dazu?

Auf die ganz unkonvenrionelle Art und Weise. Und die geht so:

Sie werden Mitglied in einem Tauschring oder nehmen am Zahlungsverkehr einer Regio-Währung teil.
Sie werden Selbstversorger mit einem eigenen Garten, auf dem Balkon oder auf dem Fensterbrett. Auch letzteres bringt schon etwas.
Sehen Sie auf der Netzseite www.mundraub.org nach, wo in der Nähe Bäume, Hecken und Sträucher ohne Besitzer stehen, die Sie abernten können. Sie nützen damit der Umwelt und Ihrem Geldbeutel.
Besorgen Sie sich ein Buch über Kräuter in Feld und Wald. Die "Medizin am Wegesrand" nützt nicht nur im Krankheitsfall, sondern Kräuter und Pflanzen ergeben auch köstliche Gerichte, als da wären Bärlauch, Brunnenkresse, Hagebutten, Löwenzahn und viele andere. 
Der Herbst ist Pilzezeit. Doch Vorsicht im Voralpenland. Noch immer sind dort die Auswirkungen von Tschernobil zu fürchten. Radioaktivität ist die einzige Aktivität, die jahrzehntelang anhält.
Wenn Sie handwerkliche Fähigkeiten haben, setzen Sie diese per "Nachbarschaftshilfe" ein oder am besten im Rahmen eines Tauschrings. Schauen Sie dazu in kostenlosen Anzeigenzeitungen unter der Rubrik "Verschiedenes" nach, wenn bei Ihnen nicht gleich der Groschen oder der Cent fällt. Es gibt so viele Möglichkeiten. Omas zum Beispiel können stricken.

Dazu schreibt Andreas Bangemann in der Zeitschrift "Humane Wirtschaft": "Sie brechen aus der Sinnlosigkeit eines Lebens aus, das nach Regeln funktioniert, die Sie kaputtzumachen drohen. Sie widmen sich dem sinnvollen Leben, um dabei zu entdecken, wie wertvoll ist, was keinen Preis hat. Sie entfliehen der Isolation, um menschliche Gemeinschaft neu für sich zu entdecken."

Und entdecken auch noch ganz nebenbei den wirklichen Sinn des Geldes. Gehen Sie's an!

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